WG4 – Briefentwurf an Alma Mahler
Tobelbad nach Wien im Zug, Sonntag, 17. Juli 1910
Der Kutscher geht
zu Fuß ich fahre
da die Sonne Tier
u Menschen das
Gehirn zersticht,
so fahre ich wie in
einem Leichen-
wagen aus Tobel-
bad heraus gebrochen
über d wo ich die\den/
glückli Höhepunkt
meines Daseins
erlebt habe, getroffen
über die Unglücks-
kunde aus \in/ Dei-
nem Briefe. Ich
bin in besinnungs-
losem Zustande
ich begreife nicht
weshalb ich meine
Glieder noch bewege,
weshalb ich noch
eine Tagesreise mich
von meinem anderen
Ich entfernen soll.
Nun ist alles
so viel schwerer
für uns zu
ertragen. Ich zittere
um Dich und Deine
Gesundheit voll
namenloser Sorge.
Ich flehe Dich in-
ständig auf Knien
mit der ganzen
unerhörten Inbrunst
meiner Liebe an
Dir Schonung aufzu-
erlegen, Dich damit
ich Dich gesund in
Zwisch in den Armen
halte, wenn ich
wieder zu Dir
komme. Wann?
Ich beschwöre \empfinde/ bei
jedem einzelnen
Worte Deines Briefes
daß genau voll-
kommen wie Du.
meine Trauer
weiß keine Grenzen
wie schwer wird
es sein, einen so
glücklichen\s/ Wurf
vor Zusammen-
wirken von Muße
Gesundheit u Kraft
wiederzufinden
Aber tröste Dich,
das beste bleibt
unsere Liebe un-
vertilgbare Liebe
und \unser/ Wille und
\unsere/ Sehnsucht aus dieser
Fülle von Schöpfungs\e/-
rischen Fülle eine
Neue Einheit zu
schaffen: unser
Kind. Ich bin so
von diesem einzigen
Gedanken \so/ durchdrungen
wie Du und während
ich diese Worte
schreibe richtet sich
meine ermattete
Seele zu neuer
Hoffnung auf,
\Hoffe u/ glaube auch Du!
Wie weh werden
Dir meine Briefe
tun, in denen ich mit
Liebe an das dritte
dachte, ich wollte \wünschte/ ich
könnte sie zurückhalten,
\zu können/ sie treffen Dich viel zu
spät und trösten
nicht genug, denn der
eigne Schmerz über
war
Eine Stunde ist
nun verstrichen von
dieser Todesfahrt,
ich das sonst so
herrliche Semmering
Der \Draußen/ Donner Blitz
und Regenströme
entsprechen ganz
meinen inneren
Stürmen. Ich
muß \will/ Dir immerfort
schreiben, damit ich
nicht wahnsi damit
ich aufrecht bleibe
Deine ! Welch
\Menschen/Herz voll Liebe u Güte.
Wir haben ihr abzubitten
wir taten ihr bitter
unrecht. Nichts von
Ehrgeiz, oder selbst
sie ist rührend –
nur voll rührender
Sorge um Dich. Deut
Sie findet es selbst \begreift sogar/*
\wie/ schlimm, daß es
für uns ist, daß
viel schwerer nun die
welchen Jammer wir fühlen
daß um unser Kind
und tröstet mich \die liebe/, daß
es wir das \es/ \ja/ wieder gut-
machen können.
So sprach ich mit ihr
*\und das ist grenzenlos viel für eine Mutter/
wie zur eignen Mutter
und habe \über/ alles besprochen,
den ein Wiedersehn,
eine alle Möglichkeiten
für die denn ich
konnte ihr nichts
verheimlichen, sie fühlte
so \intensif/ mit mir und las
mir alle Gedanken
vom Auge ab. Sie ist
unser bester Ratgeber
und will nichts
als Dein Glück. So
muß ich ihr in allem
Recht geben. Es kann
uns nur Ruhe und
Besonnenheit aus
diesem Schicksal retten.
Du darfst nicht ver-
zweifeln und in einem
mutlosen Augen-
blick, wenn die Lüge
sich Dein ganzes Inner[es]
gegen die Lüge empört
alles zerstören, so
entsetzlich schwer mein
armes armes \geliebtes/ Kind
diese Bürde auch auf
Dir lastet. Ich muß
es zum Heiler aller
von Dir verlangen.
Du würdest es nie
verwinden, wenn Dei-
nem armen
etwas zustößt
und wenn Du \jetzt/ plötzlich
gingest \fort liefest/ würdest Du
es bald nicht ertra-
gen und wieder zu
ihm zurückehren [!].
Das\nn/ würden wir alle
nicht ertragen verdorren.
Versuche mit Deiner
Zartheit den Knoten
langsam zu lösen
und warte was
die Zeit mit unserm
Schicksal vorhat.
Und \Ich/ fühle ich mich
seltsam gestärkt, die
Sorge um Dein noch
größeres Leid, hat
[am linken Blattrand:]
Du wirst verstehen aus welcher Kammer
mein[es] Herzens dieser Rat entspringt
das eigne beschwichtigt
und ich schäme mich
daß ich Dir so exaltierte \wilde/
Briefe schrieb, anstatt
nur zu trösten und
zu trösten. und daran
mich aufzuranken Ich
fühle daß mich daß \daß nun/
mein Gleichgewicht
zurückkehren \wird/ und
dann erst, wenn
ich es wiederhabe werde
ich Dich stützen und
leiten können und
bitte Dich, auf meine
Schultern zu legen damit
vielleicht ein wenig
Deine Pein erleichtern.
Apparat
Überlieferung
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Quellenbeschreibung
12 Bl. (12 b. S.) – Notizblock.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
Antwort auf AM2 vom 16. Juli 1910 (Ich habe alles verloren. Unsere Nächte haben unser Kind zerstört): welchen Jammer wir fühlen […] um unser Kind.
Datierung
Die vorliegenden Notizen verfasste WG offensichtlich während seiner Abreise aus Tobelbad per Kutsche. Da der nächste Brief (WG5) von WG persönlich auf den 17. Juli 1910 datiert und während eines Zwischenstopps von Tobelbad nach Berlin in Wien geschrieben wurde, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Tag der Abreisetag war. Gestützt wird diese Vermutung durch WGs Aussage, er könnte nicht begreifen, warum er sich nun noch eine Tagesreise von AM entfernen müsse, d. h. WG hatte zum Zeitpunkt dieser Notizen den größten Teil der Reise noch vor sich.
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Jannik Franz)
Unglückskunde – Gemeint ist die Nachricht von über die zerstörte Hoffnung auf das gemeinsame Kind (AM2 vom 16. Juli 1910).
meine Briefe – Offensichtlich hatte mehrere Briefe geschrieben, die sich um das gemeinsame Kind drehten. Außer WG3 vom 16. Juli 1910 sind dazu keine weiteren Briefentwürfe erhalten.
und tröstet mich – Diese Äußerung lässt darauf schließen, dass er sich mit über die gewünschte Schwangerschaft, zu der es doch nicht gekommen war, unterhalten hatte. Dabei kann dieses Gespräch nur in Tobelbad stattgefunden haben, da länger als , ihre und in Tobelbad blieb. Siehe auch WG5 vom 17. Juli 1910, den während seiner Rückfahrt nach Berlin von Wien aus an schrieb.